Wird bei Atomtransporten mit zweierlei Maß gemessen und wenn ja, warum?

Viele Akteure verweisen darauf, dass der Transport von Atommüll eine „zusätzliche“ Belastung darstellen würde und deshalb zu vermeiden sei.

Niemand bestreitet, dass Atommülltransporte zu Belastungen führen. Es ist ebenso unumstritten, dass Transporte so gestaltet werden müssen, dass die Belastungen für Anwohnerinnen und Anwohner an den Transportstrecken und für das Transportpersonal so gering wie möglich gehalten werden müssen.

Transporte führen aber in einer Gesamtbetrachtung nicht per se zu einer „zusätzlichen“ Belastung. Sie können im Gegenteil  zu einer Verminderung der Belastung führen. Dies kann u. a. dann der Fall sein, wenn durch die Transporte erreicht wird, dass die Dauerbelastung durch die Atomanlagen reduziert wird. Es liegt auf der Hand, dass Atomanlagen in vier oder fünf Kilometer Entfernung von der Wohnbebauung zu einer geringeren Belastung führen als Atomanlagen in geringer Entfernung zur Wohnbebauung.

Wer die Belastung für die Bevölkerung minimieren will, muss die Dauerbelastung am wohnortnahen Standort A mit den Transportbelastungen und der geringeren Dauerbelastung an einem wohnort ferneren Standort B vergleichen.

Wer diesen Vergleich nicht zieht orientiert sich nicht am Minimierungsgebot für radioaktive Belastungen, sondern führt Scheinargumente an, um eine Standortentscheidung zu begründen.

Wie beliebig mit dem Begriff „Minimierungsgebot“ von den Verantwortlichen in den Bundesgesellschaften und in der Politik umgegangen wird, wird deutlich, wenn man die Haltung an der Asse mit der Haltung zu Würgassen vergleicht.

Während Transporte von schwach- und mittelradioaktiven Müll aus der Schachtanlage Asse II verhindert werden sollen, sind zusätzliche Transporte im Zusammenhang mit dem Eingangslager für Schacht Konrad überhaupt kein Problem.

Scheinargument – Verantwortung – Versagen

Hinter dem „Argument“ der Vermeidung von Transporten steht aber auch ein reales Problem für die Verantwortlichen.

Dieses Problem lautet: Niemand will den „Asse-Müll“.

Schon mit dem Wort „Asse-Müll“ wird das Problem erzeugt. Durch dieses Wort wird der Eindruck erzeugt, dass der Atommüll auch an der Asse erzeugt wurde.

Die Realität sieht jedoch so aus, dass der in der Schachtanlage Asse II eingelagerte Atommüll nicht an oder in der Asse erzeugt wurde. Die Schachtanlage Asse II wurde in Verantwortung des Bundes als – nicht genehmigtes – Endlager für Atommüll missbraucht.

Für die Beseitigung der Folgen dieses Missbrauchs ist niemand anderes als der Bund zuständig und verantwortlich. Außerdem ist sowohl die Schachtanlage Asse II als auch der dort gelagerte radioaktive und chemotoxische Müll Eigentum des Bundes. Und Eigentum verpflichtet.

Daher können die Probleme, die sich aus der Beseitigung des Asse-Desasters ergeben, nicht „automatisch“ auf die Bevölkerung an der Asse abgeladen werden.

Der Bund steht in der Verantwortung, sich auch hierzu öffentlich zu bekennen und klarzustellen, dass es eine bundesweite Verantwortung gibt, nach dem sichersten Umgang mit dem Atommüll aus der Schachtanlage Asse II zu suchen.

Zur Verantwortung des Bundes gehört auch, die Anwohner an der Schachtanlage Asse II, die auf die beste unter den schlechten Möglichkeiten beim Umgang mit dem Atommüll drängen, vor dem Vorwurf des St.-Florians-Prinzip zu schützen.

Zwischenbemerkung

Um nicht missverstanden  zu werden, müssen wir an dieser Stelle darauf hinweisen, dass wir eine Endlagerung von schwach- und mittelradioaktiven Atommüll in dem gebrauchten Schacht Konrad ablehnen. Wir rufen daher auch dazu auf, die Initiative „Konrad – game over“ zu unterstützen. 

Da die Einlagerung in Schacht Konrad immer noch Planungsstand der beteiligten Ministerien, Ämter und Gesellschaften ist, wird bei der folgenden Betrachtung von einer fiktiven Einlagerung in Schacht Konrad ausgegangen, um die Widersprüche in den Planungen zu verdeutlichen.

Atommülltransporte sind nicht gleich Atommülltransporte?

Atommülltransporte, die den Atommüll aus Asse II betreffen, sind in jedem Fall zu vermeiden.

Atommülltransporte, die zur Optimierung der Einlagerung in Schacht Konrad dienen würden, wären im Handeln der politisch Verantwortlichen aber kein Problem.

Der längere Umweg von (beispielhaft) Brokdorf zum Schacht Konrad über Würgassen hat die Standortentscheidung für das Eingangslager offenbar nicht beeinflusst.


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Direkter Weg zum Schacht Konrad = 282 Kilometer. „Umweg“ über Würgassen = 452 Kilometer. 


Auch der längere Weg vom Atomkraftwerk Emsland bei Lingen zu einem Standort Stassfurt (als möglicher Standort für das Eingangslager) hätte offenbar nicht dazu geführt, diesen Standort von vornherein auszuschließen, obwohl zusätzliche Wegstrecken offensichtlich sind. 

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Diese Beispiele ließe sich mit weiteren Beispielen fortsetzen. Die BGZ hat folgende Orte bei einem Standortvergleich in die engere Auswahl genommen (in Klammern die von der BGZ mit Google maps ermittele Entfernung von Schacht Konrad:


Blankenburg (180 km),

Braunsbreda -bei Merseburg (185 km),

Braunschweig – Bevenrode/Bechtsbüttel – (25 km),

Halberstadt (65 km),

Neuental in Hessen (183 km),

Oschersleben (98 km),

Staßfurt (116 km),

Stendal/Tangerhütte (130 km) und

Würgassen/Beverungen (130 km).

Der Standortvergleich der BGZ kann unter dieser Adresse https://bgz.de/wp-content/uploads/2020/10/LOK_Standortempfehlung-BGZ.pdf heruntergeladen werden.

Warum werden diese zusätzlichen Transportkilometer in Kauf genommen?

Würde die von der BGE an der Asse benutze Argumentation (Transporte sind zur Realisierung des Minimierungsgebots zu vermeiden) von der BGZ für ein Eingangslager für Schacht Konrad analog angewandt, müsste das Eingangslager in unmittelbarer Nähe zu Schacht Konrad errichtet werden.

Dies würde sachlich und rechtlich eine Erweiterung von Schacht Konrad bedeuten, was zur Folge hätte, dass das Genehmigungsverfahren für Schacht Konrad neu „aufgerollt“ werden müsste. Dabei wäre es mehr als fraglich, ob Schacht Konrad nach heutigem Stand von Wissenschaft und Technik noch genehmigungsfähig wäre. Spätestens durch die Erfahrungen mit Asse II würde wohl niemand mehr auf die Idee kommen, ein Endlager für radioaktiven Atommüll in einem gebrauchten Bergwerk zu bauen.

Um dies zu vermeiden, wird ein Standort gewählt, der weit von Schacht Konrad entfernt ist.

Zusätzliche Transportbelastungen und Transportrisiken werden bestenfalls mit einem Schulterzucken quittiert.

Wenn ein Schacht Konrad heute nicht mehr genehmigungsfähig wäre, wäre dies nicht nur eine rechtliche Frage. Schacht Konrad würde nämlich nicht mehr genehmigt, weil das Risiko für Bevölkerung zu groß wäre.

Durch die Vermeidung eines neuen Genehmigungsverfahrens wird die Bevölkerung rund um Schacht Konrad wissentlich und gewollt diesem erhöhten Risiko ausgesetzt.

Spätestens an dieser Stelle wird deutlich, dass es sich nicht um einen geschickten politischen Schachzug, sondern um unverantwortliche Politik handelt.

Wer denkt, es käme nicht noch schlimmer und verlogener, irrt sich


Es gibt weitaus mehr Atomtransporte, als allgemein angenommen wird. Wir wollen an dieser Stelle nur ein Beispiel herausgreifen. 


Atompolitik war vom Beginn an mit Lügen verbunden. Das Ende der Lügen ist noch längst nicht erreicht. Es wird öffentlichkeitswirksam von einem  Atomausstieg geredet. Aber dieser Atomausstieg ist nicht komplett. Selbst nach dem geplanten Ende des Betriebes von Atomkraftwerken werden weiter Atomfabriken in Deutschland betrieben. Dies sind die Urananreicherungsanlage in Gronau und die Brennelementefabrik in Lingen. Das bedeutet zwangsläufig, dass da anzureichernde Uran nach Gronau transportiert werden muss und von dort auch nach der Anreicherung nicht verbleibt. Das Uran für die Brennelementefabrik in Lingen fällt auch nicht vom Himmel. Die Herstellung von Brennelementen ist kein Selbstzweck. Sie werden zur Benutzung weiter transportiert werden. Dabei bestehen keine Skrupel, sie an die Rissereaktoren in Belgien zu liefern. 


Und was ist eigentlich mit den Castor-Transporten


Die Castoren müssen zurückgenommen werden, kommen an einem Hafen an und werden dann in vorhandene Zwischenlager transportiert. Da aber das Endlager noch nicht gefunden ist, ist ein Transport kreuz und quer durch das Land nicht ausgeschlossen.


Fazit

Bei den Castortransporten handelt es sich jedoch um hoch radioaktiven Müll und diese Transporte, sind – wie die aus wirtschaftlichen Gründen betriebenen Transporte zu und von Gronau und Lingen – für die Betreiber und die Genehmigungsbehörden offensichtlich kein Problem. Höhere Risiken durch die Transporte und durch die Nutzung der Brennelemente werden bewusst in Kauf genommen. 

Auch die geplanten oder im Betracht gezogenen Transportumwege zu Schacht Konrad sind offenbar für die Betreiber gedanklich kein Hindernis. Sie werden in Kauf genommen, weil es für den Betreiber und das Umweltministerium politisch opportun ist.

Die Transporte von geborgenen Atommüll aus der Schachtanlage Asse II (dessen radioaktives Inventar vom Schein-Grünen (aber davon gibt es mittlerweile viele) Wolfram König als ein zweihunderstel eines Castors herab gelächelt wurde, stellen für alle Betreiber ein unüberwindbares Problem dar, wenn es darum ging, zu untersuchen, ob dieser Atommüll an einem anderen Standort sicherer verwahrt werden könnte. Ein sicheres Zwischenlager für den Müll aus Asse II ist auch deshalb wichtig, weil niemand weiß, wie lange er dort lagern muss, da es noch kein Endlager gibt und auch nicht speziell danach gesucht wird.