Geheimsache Notfallkriterien oder wie Bürgerdialog nicht funktionieren kann

Durch die Diskussion um die veränderten Salzwasser-Zuflüsse in die Schachtanlage Asse II ist die Frage, wann die BGE die Bergung des Atommülls aufgibt, und die Notfallmaßnahmen einschließlich der Flutung der Schachtanlage Asse II in die Wege leiten wird.

Die Grundlage hierfür ist ein Notfallkriterienbericht. Dort soll genauer definiert werden, wann ein Abbruch der Bergung des Atommülls erfolgen soll. 

Der Notfallkriterienbericht war bereits Thema auf der Sitzung des Umweltausschusses des Wolfenbütteler Kreistages am 4.3.2024.

Dort wurden vom Vertreter der BGE die folgenden Kriterien für Mengenzunahme

  • Untersättigung der Lauge
  • Fließwegveränderung
  • Versagen der Fassungsstelle.

Wir zitieren weiter aus dem Protokoll der Sitzung des Umweltausschusses:

(Hinweis: Herr Hegemann ist Mitarbeiter der BGE und für die Notfallplanung zuständig. Frau Steinbrügge ist Landrätin des Landkreises Wolfenbüttel. Herr Weitemeier ist Kreistagsabgeordneter der FDP.)

“Herr Hegemann antwortet, dass der Notfallkriterienbericht derzeit von der BGE und weiteren Fachleuten angefertigt werde. Dabei sei man auch in einem engen Austausch mit den Aufsichtsbehörden.

Frau Steinbrügge fragt, wann der Notfallkriterienbericht fertig gestellt werde.

Herr Hegemann antwortet, dass der Bericht bereits erstellt sei. Er hoffe auf eine Freigabe im Laufe des Jahres. 

Dies habe er jedoch auch schon vor zwei Jahren versprochen.

Herr Weitemeier fragt, ob sich an dem Status seit zwei Jahren nichts geändert habe.

Herr Hegemann antwortet, dass der Bericht fortlaufend aktualisiert werde.”

Im Klartext:

Die BGE nennt vage Kriterien, die zu einem Abbruch der Bergung des Atommülls führen könnten. 

Konkrete Angaben darüber, 

ab welcher Mengenzunahmen

ab welcher Untersättigung der Lauge

bei welchen Fließwegveränderungen 

bei welchen Versagenstatbeständen der Fassungsstelle 

ein Abbruch der Bergung erfolgen soll, nennt die BGE jedoch nicht. 

Transparenz gegenüber den Aufsichtsbehörden aber nicht gegenüber der Öffentlichkeit und es erfolgt keine kritische wissenschaftliche Begleitung

Die BGE steht im engen Austausch mit den Aufsichtsbehörden. Das ist durchaus sinnvoll und auch nicht zu kritisieren. 

Ein enger Austausch mit der Bevölkerung vor Ort erfolgt jedoch bisher nicht. Es ist offensichtlich, dass die BGE erst eine abgestimmte von den Aufsichtsbehörden als  “wasserdicht” erklären Kriterienbericht präsentieren will. 

Damit sind dann “Fakten” geschaffen. Die Einbeziehung der Bevölkerung ist dann darauf begrenzt, dass zwar Kritik an dem Katalog geübt werden kann. Diese Kritik aber jederzeit mit dem Hinweis auf die Abstimmung mit den Aufsichtsbehörden abgewiegelt werden kann. 

Ein kritische wissenschaftliche Begleitung erfolgt auch nicht mehr. Das Bundesumweltministerium hat die Finanzierung der “Arbeitsgruppe Optionenvergleich Rückholung” (AGO) mit der fadenscheinigen Begründung eingestellt, dass der Begleitprozess an der Asse nicht mehr existiere. Das Bundesumweltministerium interessiert nicht, dass diesem Gremium bei der Einsetzung auch Aufgaben zugewiesen wurden, die völlig unabhängig von der Existenz eines Begleitprozesses sind.

Echte Bürgerbeteiligung und echter Bürgerdialog gehen anders

Eine echte Bürgerbeteiligung muss schon bei der Entstehung des Kriterienberichts ansetzen – also rechtzeitig sein. Warum wird der Kriterienbericht seit über zwei Jahren nicht veröffentlicht?

Eine echte Bürgerbeteiligung muss auch auf eine umfassende Information aufbauen. Das bedeutet, dass für die Öffentlichkeit alle Unterlagen (z. B. externe Gutachten) zugänglich sind, die die BGE für die Entwicklung des Kriterienberichts herangezogen hat. 

Es ist leicht zu versprechen, dass die Bereitschaft besteht, über alles reden zu können. 

Wenn aber damit nicht verbunden ist, dass rechtzeitig das Gespräch gesucht, und dabei eine umfassende Information gewährleistet wird, entpuppt sich das Versprechen als leeres Versprechen. 

Die neue Führungsebene der BGE steht in der Pflicht zu zeigen, dass Versprechen ehrlich gemeint sind. 

Die Veröffentlichung der gegenwärtigen Version des Kriterienberichts und der Zugang der Unterlagen, die für die Erstellung des Kriterienberichts herangezogen wurden, sind dafür ebenso Voraussetzung wie die dazu im Zusammenhang stehende Veröffentlichung der Behördenkommunikation.