Grundstückskäufe einer Bundesgesellschaft – eine wahre Geschichte mit vielen Ungereimtheiten

Wie kann es sein, dass eine Bundesgesellschaft, die ausschließlich Steuergelder verausgabt, Grundstücke kauft, bevor sie weiß, ob sie für die geplanten Zwecke überhaupt geeignet sind?

Genau dies ist auf der Asse geschehen. 

Wir haben in dieser Frage weiter recherchiert. 

Daraus hat sich mittlerweile ein Drama aus mehreren Akten entwickelt:

Akt 1: Die Vorgeschichte

Die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) und das Bundesumweltministerium haben sich darauf festgelegt, dass die Atomanlagen, die nach der Bergung des Atommülls aus der Schachtanlage Asse II erforderlich werden, direkt über dem maroden und vom „Absaufen“ bedrohten Bergwerk errichtet werden sollen. 

Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, dass Atomanlagen nicht auf unsicheren oder gefährdeten Grund und Boden errichtet werden. Dies sagt schon der „gesunde Menschenverstand“.

Ein Standort von Atomanlagen unmittelbar über oder auch nur unmittelbar angrenzend an einen maroden Salzstockes sollte auch ein „No-go“ sein.

Die Gründe liegen auf der Hand:

In die Schachtanlage Asse II laufen täglich 12 Kubikmeter gesättigte Salzlösung ein. Eine Salzlösung ist gesättigt, d. h. sie kann kein weiteres Salz mehr auflösen, wenn sie mindestens rund 26 % Salz enthält. Vereinfacht ausgedrückt: Jeder Tage haben 12 Kubikmeter Kubikmeter Salzlösung, die in die Schachtanlage einlaufen, 4 Kubikmeter Salz aufgelöst. Im Jahr summiert sich dieser Wert auf 1460 Kubikmeter auf. 

Wenn wir uns vor Augen führen, wie lange die von der BGE geplanten Atomanlagen auf der Asse voraussichtlich bestehen bleiben müssen, liegt auf der Hand, dass die BGE eine Planung ohne gesicherte Grundlage vornimmt. Denn niemand kann heute verbindlich sagen, wo diese Hohlräume entstehen und ob sie zum “Einsacken” des Berges führen werden und dann auch die geplanten Atomanlagen in Mitleidenschaft ziehen werden.

Von der BGE wird ignoriert, dass das LBEG ermittelt hat, dass sich das Kuhlager im Einwirkungsbereich der Schachtanlage Asse II befindet (siehe auch hier). 

Verantwortliche der BGE haben entgegen der Feststellung des LBEG wiederholt erklärt, dass der geplante Bauplatz der Atomanlagen in einem völlig anderen Bereich lägen als das Bergwerk.

Das Bundesumweltministerium stützt die Standortfestlegung der BGE und ignoriert die Verantwortung, die es gegenüber den Menschen in der Region hat. Entscheidend ist einzig und allein, wo , weil ein Standort für die geplanten Atomanlagen vermeintlich am einfachsten durchgesetzt werden kann. Dieses Vorgehen kann nur als unverantwortliche politische Zockerei bezeichnet werden.

Doch damit nicht genug: Die Asse ist durchsetzt von „Doliden“. Dabei handelt es sich um Erdfälle, die dadurch entstanden sind, dass das Salz unterhalb der Bodenoberfläche ausgeschwemmt wurde und der Boden nachsackt. Eine dieser Doliden befindet sich direkt gegenüber dem Grundstück der Schachtanlage Asse II. Um sie zu sehen, muss nur die Kreisstraße 513 an der Abzweigung der Zufahrt zur Schachtanlage Asse II überquert werden.

Die bestehenden Risiken hat der 2020 verstorbene Geologe Prof. Carls auf den Punkt gebracht, in dem er sagte: „Es hat zwar Tradition, die Geologie der Asse nicht zu berücksichtigen, aber wenn man sie schon in der Asse ignoriert hat, sollte man sie jetzt wenigstens auf der Asse berücksichtigen.“

Risiken werden ignoriert – Grundstücke werden gekauft

Wer ein Grundstück kauft, um Atomanlagen zu errichten, sollte sich über die geologischen Verhältnisse im Klaren sein, mit dem Kauf warten bis ein Baugrundgutachten vorliegt oder sich zumindest dadurch absichern, dass lediglich Vorverträge abgeschlossen werden.

Die BGE hat ein Baugrundgutachten erst nach dem Kauf der Grundstücke – und nach wiederholtem Druck – in Auftrag gegeben. Eine vollständige Akteneinsicht in die Unterlagen im Zusammenhang mit dem Baugrundgutachten wurde uns von der BGE verweigert. 

Das veröffentlichte Baugrundgutachten wies auf erhebliche Risiken hin und mahnte u. a. im Bereich der Hydrologie Klärungsbedarf an (siehe auch unseren Beitrag vom 2.5.2023)

Aber: Die Grundstücke waren bereits gekauft.

Akt II – Recherche und Verantwortung

Wir haben uns gefragt: Wie kann es sein, dass unter diesen Voraussetzung erhebliche Steuergelder ausgegeben wurden und wer trägt dafür die Verantwortung?

Die Antwort haben wir in der Geschäftsordnung des Aufsichtsrates der BGE gefunden.

In der Geschäftsordnung des Aufsichtsrats ist geregelt, dass die BGE Grundstückskäufe nur nach Genehmigung durch den Aufsichtsrat vornehmen darf.

Wir haben deshalb beim Aufsichtsratsvorsitzenden der BGE, dem – noch zu diesem Zeitpunkt amtierenden Staatssekretär des Bundesumweltministeriums, Christian Kühn („Grüne“), nachgefragt, ob der Aufsichtsrat den Grundstückskäufen vor dem Kauf zugestimmt hat.

Diese Anfrage überschnitt sich zeitlich mit der Berufung von Herrn Kühn zum neuen Präsidenten des BASE. Seine vielfältigen Aufsichtsratsfunktionen hatte er aufgegeben. 

Eine Antwort von Herrn Kühn haben wir nicht erhalten, obwohl die Käufe während seiner Amtszeit als Aufsichtsratsvorsitzender stattfanden. Soviel zum Thema Verantwortung.

Akt 3 – Die Farce

Wer ist Ansprechpartner eines Aufsichtsrates, wenn der bisherige Vorsitzende nicht mehr im Amt ist und ein neuer Vorsitzender noch nicht tätig ist?

Bemühen wir noch einmal den „gesunden Menschenverstand“. Ansprechpartner ist dann der oder die stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsrats.

Doch weit gefehlt: Von der “Persönlichen Referentin” des ehemaligen Staatssekretärs beim Bundesumweltministerium erhielten wir die Mitteilung, sie habe unsere Anfrage an die BGE weitergeleitet.

Bei unserer Anfrage ging es uns darum, Klarheit darüber zu erlangen, wie die Kontrolle der Bundesgesellschaft für Endlagerung gewährleistet wird.

Die Antwort auf unsere Frage nach einer Kontrolle sollte uns nun die Gesellschaft liefern, deren Kontrolle wir hinterfragt haben. 

Nicht nur lakonisch können wir nur den Schluss ziehen, dass der Irrsinn ministeriale Züge zieht.

Akt 4: Der Irrsinn setzt sich fort oder Wenn die rechte Hand nicht weiß, was die linke Hand tut

Am Rande einer Veranstaltung der BGE informierte uns ein Mitarbeiter der Öffentlichkeitsarbeit der BGE darüber, dass der Aufsichtsrat selbstverständlich beteiligt worden sei. 

Wenige Tage später wurde diese Aussage von einem anderen Mitarbeiter der BGE  korrigiert. Die Grundstücke seien gar nicht von der BGE, sondern von der Bundesrepublik Deutschland gekauft worden.

Fassen wir zusammen: 

Der Mitarbeiter der BGE bestätigt erst die Beteiligung der Aufsichtsrats an einem Kauf, den die BGE gar nicht vorgenommen hat. 

Das Bundesumweltministerium wusste offensichtlich nicht, dass der Bund die Grundstücke gekauft hat, obwohl die Grundstücke für die Verwendung durch eine dem Ministerium zugeordnete Bundesgesellschaft vorgesehen sind. Denn, da der Bund die Grundstücke gekauft hat, hätte unsere Anfrage direkt vom Bundesumweltministerium beantwortet werden können.

Akt 5: Beginnt jetzt

Kommen wir zurück auf unsere eingangs gestellte Frage:

Wie kann es sein, dass eine Bundesgesellschaft, die ausschließlich Steuergelder verausgabt, Grundstücke kauft, bevor sie weiß, ob sie für die geplanten Zwecke überhaupt geeignet sind?

Über die BGE und das Bundesumweltministerium haben wir diese Frage nicht klären können. 

Von der BGE wurde der Grundstückskauf damit begründet, dass ohne den Kauf keine Baugrunduntersuchungen möglich gewesen wären. Es bleibt ein Geheimnis der BGE, warum sie den Zugang nicht über Betretungsrechte geregelt hat. Dass ein solcher Weg möglich ist, haben die Untersuchungen zur 3D-Seismik gezeigt, bei denen es sogar möglich war, mit Eigentümern die Erlaubnis von Sprengungen zu vereinbaren.

AKTUELLE ERGÄNZUNG

Mittlerweile sind Informationen darüber durchgesickert, dass die BGE nicht alle Grundstücke erwerben konnte, die sie zur Realisierung ihrer Planungen benötigen würde und Sondierungsgespräche über den Kauf weiterer nördlich und nordöstlich liegender Grundstücke führt. 

Es ist absehbar, dass damit zeitliche und finanzielle Risiken verbunden sind. 

Auch die Notwendigkeit eines neuen Baugrundgutachtens steht dabei im Raum.